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Hausbesuche in der Physiotherapie


Die AOK Bayern bemängelte in einem Rundschreiben an die Heilmittelverbände den Umgang von Physiotherapiepraxen mit Hausbesuchsterminen. "Wir erhalten in der letzten Zeit vermehrt Rückmeldungen, dass unsere Versicherten immer mehr Probleme haben, physiotherapeutische Praxen zu finden, die ärztlich verordnete Hausbesuche durchführen", heißt es in diesem Schreiben. Den Grund dafür vermutet die AOK darin, dass sich Praxen ihrer Verpflichtung zur Durchführung von Hausbesuchen entziehen würden. Ein guter Anlass, sich damit einmal genauer zu beschäftigen.

Wer eine physiotherapeutische Praxis eröffnet, verpflichtet sich automatisch dazu, die Rahmenverträge der Krankenkassen zu akzeptieren und u.a. auch Hausbesuche durchzuführen. "Diese können grundsätzlich vom nächstliegenden Heilmittelerbringer nicht abgelehnt werden" heißt es in den Vereinbarungen. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass eine Praxis jeden Hausbesuch annehmen muss, v.a. wenn die Terminpläne voll sind und keine ausreichenden Terminlücken zu finden sind. Und gerade bei einem Hausbesuch wird durch das Verlassen der Praxis, die Anfahrt, Aufbau der Therapieliege beim Patient, Helfen beim An- und Ausziehen etc. enorm viel Therapiezeit benötigt.

Ursache: Fachkräftemangel

Viele Patienten bemerken aufgrund der Terminengpässe nun erstmals den stetig wachsenden Fachkräftemangel in der Physiotherapie. Therapeuten schlagen schon seit Jahren die Alarmglocken. Diese Problematik haben wir bereits in unserem Magazin in der Ausgabe Oktober/November 2016 erläutert, da vielen Praxen schlicht die Therapeuten fehlen, obwohl der Bedarf an Therapie steigt. Nicht zuletzt hängt das Management von Hausbesuchen auch z.B. von entsprechend qualifizierten Mitarbeitern, die auch die geforderten Fortbildungsmaßnahmen besitzen, oder auch der Verfügbarkeit eines Autos ab. Erfolgt die erste Behandlung nicht innerhalb der von den gesetzlichen Krankenkassen vorgeschriebenen Frist von 14 Kalendertagen, ist es ohnehin nicht möglich die Behandlung zu beginnen.

"Meiner Ansicht nach versucht die AOK Bayern mit dieser Meldung von der wirklichen Problematik, die die gesetzlichen Krankenkassen selbst verursacht haben, abzulenken: Ich spreche von der nicht adäquaten Anpassung der Vergütung für Hausbesuche in den letzten Jahren", so Uwe Arbeiter-Brück. "Basierend auf der Abrechnungsstatistik von 2016 haben meine Mitarbeiter insgesamt mehr als 800 Hausbesuche bei gesetzlich versicherten Patienten durchgeführt. Nach unseren Berechnungen verzichten wir mit der Bereitschaft Hausbesuche anzubieten, jährlich auf rund 6.000 Euro im Vergleich zur Durchführung der Therapie in der Praxis. Und wenn sich die AOK Bayern Ihre Vergütungslisten für Heilmittelbehandlungen einmal genauer ansehen würde, wird Ihr vielleicht auffallen, dass sich in vielen Fällen die Vergütung der Leistung nicht mit den Kosten eines Hausbesuchs deckt, da es nur einen Pauschalbetrag dafür gibt, unabhängig von der Entfernung oder dem zeitlichen Aufwand.

Hier ein Berechnungsbeispiel für einen Hausbesuch mit Massage in Steinsberg:

Entfernung Hin- und Zurück: 16 Km
Fahrzeit Hin- und Zurück: 28 Minuten
Behandlung / Auf- und Abbau Therapieliege / Hilfestellungen für Patient etc.: 30 Minuten

Kosten Physio-Aktiv:
Mitarbeiter brutto/Stunde: 21,00 €
+0,30 €/je Km mit eigenem PKW (16 Km): 4,80 €
Gesamtkosten: 25,80 €


Vergütung der AOK Bayern:
Massage (20 Minuten): 12,00 €
Pauschale Hausbesuch: 12,20 €
Gesamtvergütung: 24,20 €


Für einen Hausbesuch mit einer Entfernung von (nur) 8 Km werden insgesamt drei 20-minütige Behandlungseinheiten benötigt und die Praxis muß bei jeder Durchführung 1,60 € aus der eigenen Tasche bezahlen. Bei 6 Behandlungen ergeben sich schon knapp 10 €.

Und obwohl auch solche Hausbesuche bei Physio-Aktiv und vielen anderen Praxen durchgeführt werden, verschickt die AOK Bayern diese Meldungen. "Die gesetzlichen Krankenkassen erleben hier gerade was passiert, wenn man sich über Jahrzehnte weigert, gute Therapie angemessen zu bezahlen. Dennoch versuchen viele Physiotherapiepraxen, wie auch wir von Physio-Aktiv, möglichst viele Hausbesuche in unserer täglichen Arbeit unterzubringen. Blickt man mit einem Auge in die Zukunft erkennt man schnell, dass die gesetzlichen Kassen diese Art der Vergütung gründlich und zügig überdenken müssen, im Sinne Ihrer Versicherten!